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Ge raldine Schwarz schreibt mit "Die Gedachtnislosen" Geschichte, europaische Geschichte. Ihre hochaktuelle These: Die rechtpopulistischen Stromungen in Europa lassen sich damit erklaren, wie der Kontinent nach dem letzten großen Krieg sich mit seiner Geschichte auseinandergesetzt hat. Zur Veranschaulichung verknüpft die in Frankreich aufgewachsene deutsch-franzosische Autorin ihre Familiengeschichte mit der großen Geschichte und stellt dazu reiches Quellenmaterial in überraschend aufschlussreiche Zusammenhange. Ge raldine Schwarz entdeckt eines Tages, dass ihr deutscher Großvater, ein Mitglied der NSDAP, 1938 ein jüdisches Unternehmen in Mannheim im Zuge der Arisierung erworben hat. Nach dem Krieg weigert sich Karl Schwarz, dem einzigen Uberlebenden der in Auschwitz ermordeten Fabrikantenfamilie, Julius Lobmann, Reparationen zu zahlen. Hier beginnt ihre Recherche über drei Generationen ihrer Familie, dabei stets mit der Frage, wie die Verwandten und andere sich der Vergangenheit stellten - auch in Frankreich, denn bald erfahrt die Autorin, dass ihr Großvater mütterlicherseits unter dem Vichy Regime in einem Gebiet als Gendarm gedient hat, in dem Franzosen mit Razzien nach Juden suchten. Uberdeutlich sind für sie die Unterschiede beim Umgang mit der nationalen Geschichte: Wahrend in Deutschland Mitlaufertum und Mittaterschaft zu bestimmenden Themen wurden, blendeten die Franzosen sie weitgehend aus. In der Bundesrepublik entstand auf dieser Grundlage ein differenziertes Verstandnis individueller Verantwortung in einer Demokratie und ein kollektives Bewusstsein für die Gefahren rechtspopulistischen Denkens. Gerade die Willkommenskultur gilt ihr als Ausdruck eines an der Geschichte geschulten europaischen Humanismus. Die Kehrseite dieser These zeigt sich europaweit: Wo die Auseinandersetzung mit der Kollaboration spat oder so gut wie gar nicht stattgefunden hat, erstarken die Parolen des Rechtspopulismus umso unkontrollierter. Die Gedachtnislosen ist ein sehr personliches Werk der Erinnerungskultur. Mit beispielhafter Sorgfalt pladiert dieses Buch für eine Fortführung der Gedachtnisarbeit, um den volkischen und nationalistischen Tendenzen entgegenzuwirken. Eines der besten und gleichzeitig provozierendsten Beispiele dieser Arbeit liefert es selbst.